Und sie bewegen sich doch nicht

Hochschulleitung und Landespolitik sehen keine Notwendigkeit zur Entfristung

Protokoll der Podiumsdiskussion am 22.10.2019

Ergebnisse der Podiumsdiskussion zum Zukunftsvertrag an der FSU Jena am 22.10.2019, Astoria-Hörsaal

Es diskutierten FSU-Präsident Walter Rosenthal, Staatssekretär Markus Hoppe, FSU Personalratsvertreterin Katrin Glaser, Vertreterin der Kampagne „Frist ist Frust“ Stefanie Graefe sowie Vertreter des „Forum Mittelbau“ Peggy H. Breitenstein und Thomas Engel. Der Moderator Tilman Reitz bat um einleitende Statements entlang der Frage, inwieweit die neuen Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes für Hochschulen mit den lange geforderten Entfristungsperspektiven für Lehrende und Forschende einhergehen können und sollen.

 

Trotz Dauerfinanzierung keine Spielräume für Entfristung

Grundsätzlich wurde der Zukunftsvertrag als neue Dauerfinanzierungsquelle für Hochschulen begrüßt. Hochschulleitung und Landespolitik formulierten klar, dass sich daraus jedoch wenig Spielräume oder Ansprüche für eine Entfristung von Arbeitsverträgen ableiten ließen – auch wenn vom Bund hierfür eindeutige Selbstverpflichtungen der Länder und Hochschulen eingefordert werden. Die Mittelbau-, Gewerkschafts- und Kampagnen-Vertreter*innen betonten die Notwendigkeit von Entfristungen. Die befristete Beschäftigung wird in allen Branchen der Industrie und in Verwaltungen aus guten Gründen zeitlich nur sehr eingeschränkt zugelassen. An der Universität Jena ist die befristete Beschäftigung für 87% des wissenschaftlichen Mittelbaus die Realität. Aus Hingabe zu ihrer Forschung und Wissenschaft und aufgrund persönlicher, häufig familiärer, Umstände lassen sich hochqualifizierte Wissenschaftler*innen auf prekäre Arbeitsverhältnisse ein, nehmen steigende Leistungsansprüche und sogar eine Abwertung ihrer akademischen Leistung in Kauf. Die Podiumsdiskussion zeigte, wie wenig die Entscheidungsträger bereit sind, sich dieser Problematik zu stellen und sich in der Entfristungsfrage zu bewegen.

Zur Zurückweisung von Entfristungsansprüchen verwies Kanzler Klaus Bartholmé auf die jüngst veröffentlichte, sogenannte Bayreuther Erklärung, und postulierte die Lehre als vorrangige universitäre Aufgabe. Völlig ausgeblendet blieb die Tatsache, dass ein Teil der grundständigen Lehre von befristet Beschäftigten abgedeckt wird, und Breitenstein musste Forschung als zweiten Bestandteil des Humboldtschen Ideals und damit zentralen Anspruch und Vermittlungsauftrag von Hochschulen überhaupt erst in Erinnerung bringen.

Mehr Dauerstellen – nur mit mehr Wettbewerb zu haben

Vom Mittelbau kam die Aufforderung, gemeinsam über mögliche Modelle (z.B. Lecturer-, Tenure-Track- oder Department-Modell) zu diskutieren und transparente Kriterien für Forschungs- und Lehr-Leistungen für eine Entfristung zu formulieren, was jedoch abgeblockt wurde. Präsident Rosenthal ließ zwar erkennen, dass er sich auch eine höhere Dauerstellenquote als die derzeit angestrebte vorstellen kann. Aber daraus dürfe sich kein Bleibeanspruch oder eine automatisierte Aufstiegsperspektive ergeben. Sorge treibe ihn um, dadurch zu einer Erstarrung der Universität beizutragen, eine Universität mit behördlichem Charakter zu schaffen. Um solche Tendenzen zu vermeiden, dürften entfristete Stellen nur dann vergeben werden, wenn sich Bewerber einem Auswahlverfahren nach dem Vorbild von Berufungskommissionen für Professor*innen unterzögen.

Entprekarisierung abgelehnt

Staatssekretär Hoppe wies neben dem besonders zu würdigenden finanziellen Engagement des Bundes zur Sicherung der wissenschaftlichen Zukunftsfähigkeit der Länder auf den Umstand hin, dass sich Arbeitsverträge an Hochschulen nicht mit der Normalsituation von unbefristeter Beschäftigung in Unternehmen oder Behörden vergleichen ließen. Kanzler Bartholmé schloss sich dieser Meinung an und äußerte sich deutlich gegen die vom Forum Mittelbau und der Frist-ist-Frust Kampagne geforderte umfassende Entfristung von Mittelbau-Beschäftigten nach der Promotion. Hier zeigte sich wiederholt und deutlich genug die Verweigerungshaltung, sich ernsthaft mit den Ansprüchen von Beschäftigten im universitären Mittelbau auseinanderzusetzen. Weder eine Aussicht auf Entprekarisierung von Akademiker*innen noch leistungsorientierte Kriterien zur Gewährung von unbefristeten Verträgen sind für die Hochschulleitung erstrebenswerte Ziele.

In der Personalratsvertreterin fanden Landesregierung und Hochschulleitung keine Unterstützung für ihre Haltung.  Durch Anführen einer neuen Beschäftigungskategorie namens „Wissenschaftsmanager*in“, der/die als „Forscher*in im unbefristeten Arbeitsverhältnis“ angestellt werden könnte, wurde sogar eine Verbindung zur Mittelbau-Forderung hergestellt. Aber durch die einseitige Darstellung der Schwierigkeiten ohne gleichzeitiges Aufzeigen der Möglichkeiten eines solchen Beschäftigungstyps wurde der Vorschlag von der eigenen Vertretung auch umgehend wieder demontiert.

Keine Selbstverpflichtung zu erwarten

In der zentralen Frage nach Entfristung gab es keine Annäherung zwischen den Vertretern des Mittelbaus und der Hochschulleitung. Staatssekretär Hoppe verwies auf die demokratisch legitimierte Hochschulleitung als Verhandlungspartner der Landesregierung. Somit wird sich die Forderung des Mittelbaus zur Erhöhung des Dauerstellenanteils wohl in keiner Selbstverpflichtung wiederfinden, solange sie nicht auch von der Hochschulleitung angestrebt wird. Der politischen Intention des Bundes zur Dauerfinanzierung der Hochschulen wollen sich Leitung und Landespolitik damit entziehen.

Dieses Ergebnisprotokoll wurde von verschiedenen Teilnehmer*innen der Veranstaltung am 22.10. zusammengetragen.

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